Hekate
Hekate

Madonna   della   Strà

 

„Es muss ein Ruf gewesen sein“, dachte Irene.

Als sie zum kleinen Vorplatz der Pilgerkirche kam, sah sie dort, wo sonst nur Kieselsteine lagen,

etliche Autos stehen, dicht beieinander geparkt. Im Hintergrund die riesige  Apfelplantage und gleich auf dem angrenzenden Grundstück Ziegen und Schafe, jedes eine Glocke um den Hals gebunden.

Wie eine andere Welt, wenn auch die kleine Kirche direkt an einer Landstraße lag, auf der Lastwagen ins nahe Umland donnerten.

Sie betrat die Kirche, die im Halbdunkel lag. Alle Bänke waren besetzt, vorwiegend von alten Frauen.

Ihr Kraftplatz, im rechten Schiff der kleinen, romanischen Kapelle gelegen, war frei, zum Glück, dort wollte sie sitzen und für Piero beten, Piero, der Knochenkrebs hatte, jetzt in Isolation war,  und dem vor ein paar Tagen Knochenmark verpflanzt worden war. Für Piero, für ihre Mutter, die immer Schmerzen beim Gehen hatte und für eine Freundin in Deutschland.

Kaum saß Irene, da begann durch ein Mikrophon eine  klangvolle und geübte weibliche Stimme das Ave Maria zu zitieren. „Ave Maria, piena di grazia, prega per noi peccatori….am Ende ein kurzes „Amen“ und sofort, ohne dass ein Atemzug dazwischen läge, reihte sich das nächste Gebet daran:

„Ave Maria Madre di Dio….“

Irene zählte nicht mit, doch endlos folgten die beiden Gebete einander, monotones Raunen

vereinte sich zu einem starken Fluss, in den Irene schließlich einstimmte. Es war wohltuend, hier einfach aufgenommen zu werden, ohne wenn und aber. „Madre di Dio…" Jawohl, da war es…Mutter Gottes, das ist die Große Göttin, jubelte Irene innerlich, sie lebt! Sie ist nie gestorben, da sie nie vergessen wurde, alle wissen es, sie ist die Mutter Gottes, wie immer sie genannt wurde," Gott Vater", oder Jesus… .

Ab und zu wurde ein "Vater Unser" in bestimmter Folge eingestreut, doch worum es ging, war, Maria anzubeten.

Es tat gut, hier mit den alten Frauen zu beten, sie wurde mitgetragen. „Tu sei benedetta fra le donne“, wie alle Frauen, dachte Irene, bist du gesegnet…

Als sie nach einer Meditation, allein noch, an diesem Kraftort , die Kapelle verließ, spürte Irene, wie ihr Herz, ihr Solar Plexus, der ganze Brustraum geöffnet war, sie sich insgesamt leicht fühlte. Vor der Kirche saß ein älterer Mann und rauchte. Sein Fahrrad, abgenutzt und aus den 70er Jahren, stand neben ihrem in dem angerosteten Ständer.

„Nicht wahr, liebe Signora“, das tat gut, den Rosenkranz zu beten…?!“ Sie bestätigte dies. „Alle Sorgen verfliegen, wir sind in guten Händen," fuhr der Mann fort, zog an seiner Zigarette und sah zufrieden aus.

„Schon als ich ein Kind war, sagte uns der Priester - er verdrehte uns immer die Ohren - bete den Rosenkranz und du wirst ins Paradies kommen!“ „Was soll all das Wissen, Universitäten und so weiter…??? Wir sollen werden wie die Kinder. Sind sie nicht leicht jetzt? Ohne Sorgen? Na sehen sie..,- Maria ist unsere Mutter, sie beschützt uns und durch sie kommen wir ins Paradies".

Ja, jetzt gerade fühlte sie sich in guten Händen. Und einfach, wie ein Kind, der Mann hatte recht.

Sie radelte die 3 km zurück zu ihrem Haus. Sie hatte keine Angst mehr, nicht um Piero, nicht um die Anderen, deren Wohl ihr am Herzen lag.

Das Gefühl hielt an, in der Nacht, in der sie ohne aufzuwachen tief schlief, trotz des Vollmondes.

Es hielt auch am nächsten Tag noch an. Sie fühlte sich voller Kraft und ungewohnt frei von Sorgen.

 

 

ägyptische Göttin